Pássaro Livre – Vogel frei [Sao Paulo 2003] Drucken E-Mail
Hoheisel & Knitz


Pássaro Livre – Vogel frei [Sao Paulo 2003]






Proposal/Fotomontage Hoheisel&Knitz [2003]

The copy of the portal which was buildt as a birds-case installed behind the original portal of the prison Tiradentes






Pássaro Livre – Vogel frei
Ausstellung in der Pinacoteca, Sao Paulo, Brasilien, August 2003 von Horst Hoheisel und Andreas Knitz

Das Portal des ehemaligen Stadtgefängnisses von Sao Paulo Tiradentes, das als Relikt unweit der Pinacoteca nach dem Abriss des Gefängnisses erhalten blieb, wird im Massßstab 1:1 als Vogelkäfig nachgebaut. Der Käfig wird aus einzelnen Teilen zusammengebaut, so dass man ihn auch leicht zerlegen, lagern und an anderer Stelle wieder aufbauen kann. Die Herstellung des Käfigs übernehmen die Werkstätten der Pinacoteca.
Das Gefängnisportal als Vogelkäfig wird im zentralen Oktogon-Raum der Pinacoteca aufgestellt. Da die Seiten des Oktogon Raumes ebenfalls von großen Portalen durchbrochen werden, und der Museumsraum von einem Oberlicht hell beleuchtet wird, schafft die Architektur des Museums eine perfekte Rahmung der Portal-Skulptur als Käfig.
Der Käfig sollte ursprünglich mit verschiedenen farbigen Vogelarten aus allen Regionen Brasiliens besetzt werden.
Die Vögel sollten einzelnen politischen Gefangenen aus der Zeit der Militärdiktatur Ende der 60-ziger, Anfang der 70-ziger Jahr gewidmet werden und täglich sollte einer der Vögel freigelassen werden, bis zum Ende der Ausstellung der Käfig leer und alle Vögel frei wären.
Gesetzliche Bestimmungen und Bedenken von Ornithologen [IBAMA] erlaubten aber nicht das Projekt mit brasilianischen Vögelarten zu realisieren.
Wir führen statt dessen das Kunstwerk jetzt mit Brieftauben aus. Tauben haben im Zusammenhang mit Gefangenschaft, Freiheit und Frieden einen hohen Symbolwert und Brieftauben kehren in ihr Haus zurück, wie Gefangene aus dem Gefängnis und sie überbringen Botschaften.
Das Museumspersonal versorgt während der Ausstellung nach Angaben der ornithologischen wissenschaftlichen Berater die lebenden Kunstwerke. Alle drei Tage wird eine Taube freigelassen und fliegt nach Hause zurück.
Da es verboten ist Tauben nach Sao Paulo Tauben zu bringen, hat jede Taube eine Einfuhrgenehmigung, ein Gesundheitszeugnis und eine Fluggenehmigung. Die Rückkehr der Taube in ihren Heimatort muss wiederum gemeldet werden. So werden die Tauben im Käfig des Gefängnisportals ähnlich bürokratisch verwaltet und überwacht wie gefangene Menschen. Die Bürokratie wird Teil des Kunstwerkes, das Kunstwerk Teil der Bürokratie.
Als Gefangene erinnern die Tauben in der Pinacoteca an die Geschichte von Tiradentes, als ein ehemaliges Gefängnis der Diktatur. Freigelassen demonstrieren sie Hoffnung. Als Brieftauben überbringen Sie eine Botschaft nach Hause. Sie sind Symbol für Freiheit und Orientierung in einer unübersichtlichen Welt.
Es bleibt der leere Käfig in der Form des Gefängnisportals und die Möglichkeit ihn neu zu füllen. Das originale Portal steht in Stein nur wenige hundert Meter von der Pinacoteca entfernt. Unwissende könnten es für das Portal eines alten herrschaftlichen Schlosses halten. Auf dem ehemaligen Gefängnisgelände steht heute eine Bank. Die meisten Besucher schreiten durch das Gefängnisportal zur Bank, ohne die Geschichte des Ortes zu kennen.
Das Gefängnisportal vom Presidio Tiradentes als Vogelkäfig in der Pinacoteca erinnert als Kunstwerk mit seinen Bezügen zu Gefangenschaft, Befreiung, Orientierung, Heimkehr und Erinnerung an die Geschichte vom Presidio Tiradentes.

Horst Hoheisel und Andreas Knitz


Die erste Taube wurde bei der Eröffnung der Installation von dem brasilianischen Journalisten
Alípio Freire, ein ehemaliger politischer Häftling des Presidio [Gefängnis] Tiradentes freigelassen.
An jedem Samstag wird eine weitere Taube befreit werden, bis am 7. September, dem Unabhängigkeitstag Brasiliens der Käfig leer sein wird. Der Vorschlag der Künstler ist, dass der Portalkäfig später vor dem Original installiert wird.
Dieser Vorschlag kam bisher bei allen zuständigen Stellen sehr positiv an.
An der Umsetzung und Ausführung wird derzeit gearbeitet.


Pássaro Livre – Vogel Frei


Die Installation Pássaro Livre/Vogel Frei der deutschen Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz im Oktogon-Projekt der Pinacoteca do Estado ist ein poetisches Bild für eine Passage aus der jüngsten Geschichte Brasiliens. Während einer fast zehnjährigen Zusammenarbeit entwickelten die beiden Künstler Vorschläge zu Interventionen und Konstruktionen im öffentlichen und privatem Raum, die sich auf die Geschichte des Ortes mit seinen sozialen, politischen und kulturellen Konflikten beziehen wie das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald, das Rathaus in Kassel oder der Hafen von Tel Aviv.
Diese Arbeiten stellen die Grundbegriffe von Erinnerung und Denkmal, Gefangenschaft und Freiheit in Frage, sie problematisieren die historischen Geschichten, beziehen Archive und Zeugenaussagen ein und schaffen wie sie es nennen »Erinnerungen/Gegenerinnerungen« um mit ihnen die institutionalisierte Geschichte zu konfrontieren.

Pássaro Livre/Vogel Frei ist ein Vogelkäfig, der im realen Maßstab den als nationales historisches Erbe unter Denkmalschutz gestellten Porticus des abgerissenen Stadtgefängnisses Tiradentes nachbildet, eines der ältesten Gebäude der Stadt Sao Paulo, nur wenige Meter entfernt von der Pinacoteca und ausgewiesen als ein Ort politischer und sozialer Repression während der Militärregierungen im zeitgenössischen Brasilien. Mit der Rekonstruktion des Portals schaffen die Künstler ein Ambiente, das diese ausgegrenzten Orte der Enge wieder in Gefängnisse zurückverwandelt und in diesem Fall in das Stadtgefängnis von Sao Paulo mit seiner besonderen Geschichte. Tauben wurden hineingesetzt, von denen einzelne wöchentlich freigelassen werden, eine Referenz an die Gefangenen, die in diesem Gefängnis einsaßen. Die Tauben haben ihre eigene Bedeutung, denn sie stehen für den Wunsch nach Frieden und Harmonie.


Ivo Mesquita

Ivo Mesquita, curator and art critic, Pinacoteca do Estado Sao Paulo